Die Stubenreinheit bei Welpen ist ein natürlicher Entwicklungsprozess, der eng mit der neurologischen Reifung und der Verhaltensentwicklung des jungen Hundes verknüpft ist. Um diesen Prozess fundiert zu verstehen, ist es wichtig, die physiologischen, neurologischen und verhaltensbiologischen Grundlagen zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf das Konzept des „Territoriums erster Ordnung“.


1. Definition: Territorium erster Ordnung

Das Territorium erster Ordnung bezeichnet in der Ethologie jenen unmittelbaren Bereich, in dem das Tier ruht, schläft oder sich längere Zeit aufhält – also typischerweise der Schlafplatz oder das Nest. Bereits bei neugeborenen Hunden zeigt sich eine angeborene Tendenz, diesen Bereich sauber zu halten, sofern die motorischen und sensorischen Fähigkeiten dies zulassen. Diese Tendenz ist evolutionsbiologisch sinnvoll, da sie das Risiko von Infektionen reduziert und Räuber fernhält.


2. Neurologische Entwicklung und Kontrolle von Harn- und Kotabsatz

Die Fähigkeit, Urin und Kot willkürlich zu kontrollieren, ist stark von der Reifung des zentralen Nervensystems abhängig. Bei neugeborenen Welpen fehlt zunächst die neurologische Reife, um die Blase oder den Darm bewusst zu kontrollieren. Stattdessen erfolgt die Ausscheidung reflektorisch:

  • 0–2 Wochen: Die Ausscheidung wird durch die mütterliche Stimulation (Lecken des Dammbereichs) ausgelöst. Eigenständige Kontrolle ist nicht vorhanden.
  • Ab der 3. Lebenswoche: Erste neurologische Entwicklungen im Bereich des sakralen Rückenmarks und sensorischer Bahnen ermöglichen allmählich eine bewusste Wahrnehmung des Harndranges.
  • Ab der 5.–6. Woche: Die kortikale Kontrolle über die Blasen- und Darmentleerung beginnt sich zu entwickeln. Der Welpe kann zunehmend entscheiden, ob und wann er sich löst.
  • Bis zur 12.–16. Woche: In der Regel ist bis zu diesem Alter die willentliche Kontrolle ausreichend entwickelt, sodass eine gezielte Stubenreinheit trainiert werden kann.

3. Verhaltensbiologische Aspekte der Stubenreinheit

Welpen zeigen ab einem Alter von ca. 3–4 Wochen erste Ansätze zur Selbstständigkeit bei der Ausscheidung:

  • Sie entfernen sich vom Schlafplatz, um sich zu lösen – ein frühes Zeichen für die Unterscheidung zwischen Nestbereich und Außenbereich.
  • Durch Nachahmung von Artgenossen (inkl. der Mutter) lernen sie, bestimmte Untergründe oder Orte als „Toilettenbereich“ zu bevorzugen.
  • Der Mensch kann diesen Lernprozess unterstützen, indem er regelmäßig geeignete Gelegenheiten zur Lösepause bietet und den natürlichen Rhythmus berücksichtigt (z. B. nach dem Schlafen, Spielen, Fressen).

4. Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Stubenreinheit

  • Rassedisposition: Kleinere Hunderassen entwickeln oft später eine vollständige Kontrolle, u. a. wegen einer verzögerten Myelinisierung der Nervenbahnen.
  • Haltungsbedingungen: Eine zu frühe Trennung von der Mutterhündin oder beengte Haltung (z. B. in schlecht geführten Zuchten) kann die Ausbildung einer klaren Unterscheidung zwischen Schlaf- und Ausscheidungsbereich behindern.
  • Erziehung und Geduld: Strafen bei „Unfällen“ können kontraproduktiv sein und führen häufig zu unsauberem Verhalten aus Angst oder Unsicherheit.

5. Fazit und Empfehlungen

Die Stubenreinheit entwickelt sich nicht spontan, sondern ist das Ergebnis eines reifenden Nervensystems in Kombination mit positiven Lernerfahrungen. In der Zeit von der 3. bis etwa zur 16. Lebenswoche sollte daher:

  • Konsequent ein fester Löseplatz etabliert werden.
  • Regelmäßige Zeiten zum Lösen angeboten werden (z. B. alle 2 Stunden, nach dem Schlafen, Spielen, Fressen).
  • Lob für korrektes Verhalten gegeben werden (positive Verstärkung).
  • Geduld aufgebracht werden, da die Entwicklung individuell unterschiedlich verläuft.

Das Verständnis der neurologischen Grundlagen sowie die Rücksichtnahme auf die natürlichen Verhaltensweisen fördern eine nachhaltige Stubenreinheit und eine stabile Mensch-Hund-Beziehung.